Eine Islandgeschichte
Am 23. Juli 2005 bin ich zusammen mir Rolf Acklin, beide im Rollstuhl, auf eine einwöchige Islandreise gestartet. Die Planung und Vorbereitung dauerte etwas mehr als einen Monat und einige Fragezeichen hatte ich schon. Reicht die Zeit überhaupt, klappt das mit den rollstuhlgängigen Hotels und dem Auto? Sind unsere Etappen wirklich gut genug geplant, wir mussten ja die Etappen nach den verfügbaren Unterkünften festlegen und diese standen erst eine Woche vor Abflug fest. Meine gewünschten Änderungen konnten nicht mehr berücksichtigt werden. Ich war gefasst auf ein Abenteuer.
- Tag 0 – Anreise, Vogar
- Tag 1 – Blaue Lagune, Selialandfoss, Skogafoss, Vik
- Tag 2 – Skaftafell, Jökusarlon, Höfn
- Tag 3 – Westfjorde, Reydarfjördur
- Tag 4 – Dettifoss, Asbyrgi, Husavik, Myvatn
- Tag 5 – Myvatn, Godafoss, Akureyri
- Tag 6 – Glaumbaer, F35, Gullfoss, Geysir, Borgarnes
- Tag 7 – Deliartunguhver – Hraunfossar – Reykavik – Keflavik
Tag 0 – Anreise, Vogar
Also nichts wie los, um 22:30 Uhr flogen wir mit Sack, Pack und sogar einem Ersatzrad in Zürich Kloten ab mit direktem Ziel Kevlavik, dem internationalen Flugplatz bei Reykjavik. Der Flug war angenehm und nach dem Nachtessen und einem langweiligen Film hatte ich kaum Zeit noch einige Seiten in meinem Buch zu lesen und schon mussten wir uns wieder anschnallen. Der auf vier stunden geplante Flug dauerte nur dreieinhalb Stunden, zuzüglich einer Schlaufe, welche nötig war um auf der Blindlandepiste aufzusetzen. Nebel war der Grund dafür und einmal muss man ja so eine Blindlandung miterleben, dann weiss man wie robust so ein Flugzeug ist. Wir sind auf jeden Fall mehr als hart auf der Landepiste runtergekommen ohne Schaden an Leib und Leben.
Dann kam das übliche Prozedere mir dem Ausladen auf dem schmalen Spezialsitz und dem Lifttürk bis zum Zoll und dem Baggage-claim. Dort war warten angesagt. Da standen 200 Schweizer in der vordersten Reihe am Förderband, und alle warteten auf ihr Gepäck. Wir Rollifahrer das warten schon gewöhnt warteten geduldig bis die andern ihr Gepäck hatten, ohne nach vorn zu drängen. Ab und zu kamen wieder fünf bis zehn Gepäckstücke, dann wieder warten. Nach fast einer Stunde hatten dann alle ihr Gepäck. Alle ausser wir zwei. Shit!
Ein Blick zum Schalter nebenan sagte mir, dass da ja noch jemand ist um halb eins in der Nacht, und dass es wohl angebracht ist schnell zu handeln. Morgen hatten wir ja einen langen Tag eingeplant und wollten noch einige Stunden ins hotel uns ein wenig erholen. Nach einigen Telefonaten und Gesprächen am Funkgerät meinte die Dame, dass das Gepäck wohl gar nicht angekommen ist, dies trotz unserer Versicherung, dass wir’s auf dem Gepäckwagen vom Flugzeug aus gesehen haben. Fazit: come back tomorrow! Was jetzt? Hinausgehen und alle Gepäckräume absuchen war wohl unmöglich, aber im Flughafen rumschauen, das war wohl das geringste was wir tun konnten. – Und siehe da, auf dem hintersten Förderband (Ankunft von England) kreisten unsere Gepäckstücke unaufhörlich. Uff ein Stein fiel uns vom Herzen, jetzt konnte es ja losgehen. Gepäck geschnappt und ab zur Autovermietung, bevor die zumachen.
Zum Glück hatte es daneben gleich ein Rollstuhl-WC also rein, Mein Kollege wird das mit der Automiete wohl im Griff haben. Nachdem ich meine Blase gelehrt hatte, bekam ich von Rolf die Information, dass er seinen Führerausweis vergessen habe. No Problem, ich hatte meinen dabei. Also wurde sofort mit mir verhandelt und der Herr der National drückte mir einen Autoschlüssel in die Hand, erklärte mir wo der Standplatz sei. Es war ein Mitsubishi Lancer, nicht der versprochene Skoda Oktavia. Sie hätten leider unsere Reservation nicht erhalten, aber dieser Automat sei verfügbar, zum Glück. Auf meine Frage, ob denn das Auto umgebaut sei, bekam ich nur einen etwas verständnislosen Blick. Umbau? Nein, einen Umbau hätten sie nicht hier, aber er werde selbstverständlich am nächsten Morgen (Sonntag) ins Headoffice anrufen und die Person fragen, welche uns die Reservation bestätigt hat.
Trotz allen Unannehmlichkeiten blieben alle freundlich und kooperativ. So konnte ich dann eine halbe Stunde später meinen provisorischen Umbau, den ich vor meinen Ferien von einem Kollegen ausgeliehen hatte und eigentlich nicht benutzen wollte einbauen und meine ersten Fahrversuche machen. Es klappte so schlecht und recht, und nach dreimaligem anhalten auf dem Pannenstreifen hatte ich das Ding so eingestellt, dass ich einigermassen sicher bis zum Hotel fahren konnte.
Den Patron habe ich dann mit heulendem Motor und durchdrehenden Rädern aus der Rezeption geholt. – Man darf ja mal den falschen Hebel erwischen am ungewohnten Equippment. Auch hier trotz später Stunde, es war mittlerweile nach drei Uhr, wurden wir freundlich empfangen und freuten uns, uns endlich drei vier Stunden aufs Ohr legen zu können.
Tag 1 – Blaue Lagune, Selialandfoss, Skogafoss, Vik
Trotzdem waren wir nach knapp vier Stunden Schlaf bald hellwach und voller Tatendrang. Das erste Erlebnis war wohl das Morgenessen, nach dem was wir gehört hatten über die isländischen Spezialitäten wie Blutwurst im Schafsmagen oder gesäuerte Widderhoden.
Durch den Kiesparkplatz erreichten wir den Speisesaal, wo ein typisches Frühstück auf uns wartete. Nach dem Kennenlernen der Eigenheiten des Toasters, genehmigte ich mir zwei Scheiben einseitig getoasteter Brote mit Schinken, Käse und Salami. Dazu gab’s, wie auch später an anderen Orten, Tomaten und Gurkenscheiben. Diese Gemüse gab’s überall, da dies wohl das einzige war, welches in den von heissen Quellen geheizten Gewächshäusern wuchs. Rolf konnte es nicht lassen auch die verschiedenen Brotaufstriche, welche mir zu klebrig waren, sowie Fischfragmente zu probieren. Später konnte ich mich auch mal zu Fisch verleiten lassen, jedoch wirklich geschmeckt hat mir der zum Teil leicht säuerliche oder stark geräuchte Fisch doch nicht.
Nach dem Frühstück riefen wir nochmals bei der Autovermietung an, ob jetzt wohl der Umbau eingetroffen sei, doch es war noch zu früh, und das Büro in Akureyri war noch nicht besetzt. So machten wir unsere erste Disposition und fuhren zur blauen Lagune, wo wir die Entspannung suchten die wir eigentlich nach dem Trip machen wollten. So ging’s durch Lavafelder Richtung Südwesten, bis wir das dampfende Heisswasserkraftwerk am Horizont erblicken konnten. Nach zwei Kilometern kam dann der Abzweiger zum Thermalbad.
Die Badehose ausgepackt und ab ins warme Wasser und schon kam die Ferienstimmung auf. Das salzige Wasser trug den Körper wie von selbst und ich als schlechter Schwimmer packte eine Schaumgummimatte, die den Auftrieb noch unterstützte. Bis ich mich jedoch zu meiner Zufriedenheit darauf platziert hatte schluckte ich einige Mund voll Wasser. Der Salz- und Mineralgehalt war wirklich beeindruckend – Pfuii!!! Dann planschten wir eine gute Stunde durch die Lagune. Die Temperatur schwankte je nach Aufenthaltsort zwischen 30 und vielleicht 50 Grad Celsius. Ich war froh um meine Matte. Erstens brauchte ich keine Kraft oder Konzentration um an der Oberfläche zu bleiben und zweitens trug es mich so gut, dass mein Bauch stets über dem Wasser an der kühlen Luft war.
Nach vielleicht einer Stunde peilte ich wieder den Einstieg an und wir verliessen das Wasser um das Dampfbad auszuprobieren. Dort war jedoch so ein Kommen und Gehen, dass wir zufrieden unter die Dusche und in die Ankleidekabine gingen.
Wieder angezogen, ab ins Auto. Ein letzter Versuch mit der Autovermietung machte klar, dass wir die Reise mit unserem Umbau bewältigen werden, bis Montag warten hätte unseren Terminkalender zu sehr strapaziert. Die Landkarte sagte uns, dass wir nicht wie geplant auf der Strasse Nr. 1 via Reykjavik, sondern viel schneller auf der Nebenstrasse 43 nach Grindavik und dann über die 427 und 42 nach Selfoss gelangen können. Ob’s denn so war wissen die Götter. Jedenfalls konnten wir das erste mal Geröllstrassen fahren und wir fanden es damals noch sehr abenteuerlich. Grindavik liegt an der Küste, so hatten wir schon bald eine Landschaft voll von ungewohnter Farbenpracht vor uns.
Das tiefblaue Meer, die braunrote Erde mit den schwarzen Lavasteinen und darüber der helle Himmel, blau mit ganz vereinzelten weissen Wölklein. Bald einmal fielen mir die aufgetürmten Steine auf, die den Wegrand und auch die weiten Ebenen zierten. Da einer, dort einer und dann auf einer Anhöhe waren es sicher zwei oder dreihundert.
Steinhäufen? Nein, Rolf hat später in der Edda, der Isländischen Sage, nachgelesen, dass dies Trolle sind, Trolle die Nachts beim Spielen oder Unfug treiben von der Sonne überrascht wurden und zu Steinsäulen erstarrt sind.
Weiter gings, hinter dem Auto staubte es unaufhörlich und wir machten die ersten Erfahrungen mit den Blindheadtafeln. Die sind Verkehrstafeln, welche auf unübersichtliche hügelkuppen aufmerksam machen. Das ist wirklich sinnvoll, weil nach und nach unser Tempo trotz der Rumpelstrassen bis über hundert Kilometer per Stunde anstieg (achzig wäre erlaubt gewesen, aber Who cares?)
Die Fiorde zur rechten, das farbige Gestein zur linken erreichten wir die Ortschaft Selfoss wo wir uns das erste Isländische Mittagessen reinzogen (Kentucky Fried Hamburger). Danach machten wir Fahrerwechsel und passten den Umbau für Rolf an, der dann auf einer Quartierstrasse die ersten Fahrversuche machte. Nach drei Minuten sagte er fühle er sich sicher, obwohl der Bremshebel manchmal am Schalthebel anstand und das schon etwas störend ist, vor allem beim Bremsen. Selfoss, eine Stadt mit einer Tankstelle einen Hamburgerpalast und vielleicht zwei oder drei Läden hatten wir nach fünf Minuten hinter uns, und weiter anf der Strasse Nr. 1 gings Richtung Vik. Nach einer halben Stundesahen wir schon von der Hauptstrasse den Wasserfall Seljalandfoss, der sich über die grünen Felsen bis fast auf Meereshöhe ergoss.
Das Aussteigen war doch wieder ein Erlebnis. Die Rollstühle welche wir einfach hinter den Sitz geworfen hatten hatten sich verkeilt und unter ständigen Lachen und Fluchen schafften wir es nicht, die Stühle auszuladen, bis ein Passant nett fragte ob er wohl helfen könne. Also nichts wie raus, den Kiesweg hoch und Fotoaurüstung raus. Die Farbkomposition von grün, mit den Felsen dazwischen, der weissen Gischt und dem Regenbogen, der in der warmen Sonne entstand musste eingefangen werden. Auch die Bewegung tat gut, dem Rauschen horchen und einfach hier zu sein.
Nach vielleicht einer Stunde konnten wir uns losreissen, und dann Rollstühle hinter den Sitz, nicht ohne zu lachen und uns zu fragen, ob wirs wohl schaffen die Dinger wieder rauszukriegen gings weiter zum nächsten Wasserfall, dem Skogafoss. Unterwegs, beim Wenden testete Rolf dann einen isländischen Zaun. Statt mit der Bremse versuchte er es mit dem Gaspedal. Der Test verlief erfolgreich, der Zaun hielt, fast so gut wie ein Fangnetz beim Skirennen. Die Spuren am Auto waren zwar sichtbar aber nicht so gravierend, dass wir am weiterfahren gehindert wurden. Den Skogafoss erreichten wir dann in der Abenddämmerung, welche in diesen Breitengraden mehrere Stunden, wenn nicht sogar die ganze Nacht anhält.
Im Gegensatz zum Seljalandfoss, welcher sein Wasser verspielt in feinen Strahlen und Tropfen zur Erde schickte, imponierte Skogafoss durch seine Kompaktheit und die Wucht mit der er zu Tale stürzte.
Hier machten wir auch die erste Bekanntschaft mit einem Isländer, welcher uns stolz die Technik seines neuen Handys erklärte. Wir waren beeindruckt, mehr jedoch weil er im alter von vielleicht siebzig Jahren, sich noch für so was begeistern konnte. Die Frage ob wir eine Kaffeemaschine im Auto hätten verwunderte uns zunächst. Er aber wollte unbedingt einen Kaffee aus dem Bachwasser brauen, weil dies hier ein besonders gutes Wasser sei. Zum Abschied spielte er uns ein Happy-Birthday auf seiner Mundharmonika und wir zogen weiter nach Vik, wo ein Zimmer für die Nacht auf uns wartete.
Die Herberge bezogen wir um zehn Uhr nachts, was aber nicht heissen will, dass es dunkel war. Da wir das reguläre Nachtessen im Speisesaal verpasst hatten, gab’s ein Sandwich und ein Bier als späte Malzeit. Diese nahmen wir im Freien ein, bei sich mehr und mehr rötendem Himmel. Das Personal an die Helligkeit gewöhnt ging nach und nach schlafen, nur wir zwei liessen den Tag noch ausklingen mit Betrachtungen des Wolkenspiels welches uns faszinierte. Dann so nach Mitternacht verzogen auch wir uns in unser warmes Zimmer. Die Holzhäuser bewiesen sich als sehr gute Wärmespeicher. Trotz Helligkeit hatten wir keine Probleme mit einschlafen, an diesem Tag nicht und auch an keinem der folgenden.
Tag 2 – Skaftafell, Jökusarlon, Höfn
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück fuhren wir ein wenig ins Landesinnere, das heisst in ein Seitental. Bald ging’s auf der Schotterstrasse steil bergauf und nach wenigen Minuten hatten wir die schönste Sicht auf den Gletscher Myrdalsjökull, welcher in der Ferne zwischen Bergspitzen und der kargen Wiesenlandschaft zeigte. Auf einer Anhöhe liessen wir die Aussicht auf uns wirken und kehrten dann wieder um, auf die Hauptstrasse N1. 1 mit Fernziel Höfn, eine Stadt am Meer.
Zuerst fuhren wir über eine grosse Ebene von dunklem Lavageröll, vorbei an den Steintrollen, welche über Kilometer die ganze Einöde bevölkerten, zum Nationalpark Skaftafell, wo wir den malerischen Swartifoss (Schwarzer Wasserfall) anschauen wollten. Mit dem Rollstuhlzeichen am Auto getrauten wir uns das Fahrverbot zu missachten und quälten unseren Mitsubishi Lancer die steile Strasse hinauf. Der provisorische Umbau liess es nicht zu, das Gas voll runterzudrücken und somit hatten wir etwas bedenken, dass wir wirklich ganz nach oben kommen. Unsere Bedenken waren umsonst, die Steigung konnte gemeistert werden, jedoch ein Blick auf den Fussweg verriet uns, dass wir keine Chance hatten, die letzten 900 Meter bis zum Wasserfall zu meistern.
Schade, im Reiseführer war dies einer der verlockendsten Wasserfälle überhaupt. Nicht wegen seiner Grösse, sondern wegen den fächerförmig verlaufenden Steinabbrüchen und dem glänzend schwarzen Gestein. So freuten wir uns an der grünen Flora und dem Postkartenwetter und kauften eine Postkarte zum trost 😉
Dann ging’s weiter, entlang dem grossen Gletscher Vatnajökull, zum See Jökulsarlon, wo wir die treibenden Eisberge anschauen wollten.
Vom Gespräch mit der isländischen Autostopperin, welche sich als deutsche Touristin entpuppte, abgelenkt, verpassten wir es, den Benzinstand zu prüfen und liessen die grosse Tankstelle unbeachtet. Der Tank war ja noch fast halb voll. Eine halbe Stunde später als die Tankanzeige unter einem viertle war konnten wir ja die nächste Tankstelle anfahren. Ein hilfsbereiter Mann, der auch grad seinen Wagen versorgt hatte halt uns beim Tanken. Doch irgendwas wollte nicht klappen. Nach drei Versuchen rief er die Tankstellenbesitzerin, welche sich uns annahm. Nach weiteren fünf Minuten war klar, dass die Tanksäule oder der Kassencomputer gerade den Geist aufgegeben hatte. Also erklärte sie uns, wo die nächste, kleine Tankstelle sei, die wir auf keinen Fall verpassen durften.
Die Ortschaft war natürlich nicht auf unserer Karte. – Kartenlesen in Island ist halt schon so eine Sache. Zwar sind grössere Bauernhöfe auf der Karte eingezeichnet, mit Namen. Da aber diese Höfe nicht angeschrieben sind und sie sich nicht genau an der Hauptstrasse befinden, weiss man nie genau wo man sich befindet. Aufgrund einer Tafel, die wie ich meinte, den Fluss bezeichnet den wir grade überquerten, kam ich zur Ansicht, dass wir wohl schon an dem See mit den Eisbergen vorbei sind. Links sahen wir dann einen Weg Richtung Gletscher, welchen Rolf dann mutig einschlug. Einschlagend waren auch die Steine, welche den Unterboden unseres Autos wohl etwas zusetzten. Aber siehe da, nach der Anhöhe hatten wir den Blick über einen See auf welchem Eisberge drifteten.
Na das war ja schon mal was, aber da musste doch mehr sein. Also umkehren, das Benzin wird ja schon reichen… Einige Kilometer zurück gab’s wieder einen Weg und der Anblick dieser Eisberge war wirklich ein Foto wert. Auch auf Video musste Rolf dieses Panorama bannen, und damit es auch richtig rüberkommt, noch etwas Punkrock aus dem Handy dazu…
Dann weiter Richtung Osten. Kaum fünf Kilometer nach diesen Seen, nach der Überfahrt einer Anhöhe, leuchtete uns dann der See und die Eisberge von Jökulsarlon entgegen.
Da machten wir dann doch noch einen Stopp. Über dem See flogen tausende von Vögeln, welche dort und im abfliessenden Fluss fischten. Etwas traurig stimmten mich dann die vielen toten und flachgewalzten Vögel auf der Strasse.
Jetzt aber weiter… Die Benzinuhr im Auge und die Landkarte, auf der sogar die Tankstellen eingezeichnet waren. Jetzt muss sie doch endlich kommen! Und tatsächlich, nach vielen zähen, bangen Kurven endlich die ersehnte Tankstellentafel. Nichts wie angehalten und Tank gefüllt. Dann weiter nach Höfn und einquartieren für die Nacht. Wirklich sehenswertes haben wir hier nicht gesehen, abgesehen von den blauen Augen der Verkäuferin, bei der Rolf seine erste irische Punkrock-CD gekauft hat.
Tag 3 – Westfjorde, Reydarfjördur
Nach einem ausgiebigen Frühstück im Bett, eine Ausnahme die das Hotel für uns gemacht hat, da der Speisesaal im ersten Stock ohne Lift schlecht zugänglich war für uns, packten wir unsere Sachen bei strahlendem Sonnenschein wieder ins Auto. Reydarfjördur war unser Ziel für die Nacht.
So fuhren wir entlang der Ostfjorde und genossen das Wellenspiel des Meeres, entlang der meist grünen Berghänge. Einige Schafe säumten die Strasse und die Hauptattraktion war der Wal, den wir in den Wellen entdeckt haben. Mit dem Zoomobjektiv der Kamera konnten wir die Wasserfontäne sehen, die er regelmässig ausgestossen hat und auch die dunkle Schwanzflosse die ab und zu aus der Gischt aufgetaucht ist. Nach zehn Minuten betrachten dieses Schauspiels merkten wir, dass wir einer optischen Täuschung erlegen waren. Das Wellenspiel an einem Riff und unsere Phantasie hatten uns das nur vorgegaukelt. Wenn man bedenkt, dass die Schiffsgesellschaft von über 90% Erfolg berichtet, wenn sie mit Touristen auf Walsafari gehen ist dies ja nicht verwunderlich.
In Djupivogur einem Fischerdorf, schauten wir einer Gruppe Touristen zu, welche ein Boot bestiegen und auf eine der besagten Walsafaris gingen. Uns war nicht danach. Die architektonischen Highlights fesselten uns eher, wie zum Beispiel die Wellblechkirche oder das Haus welches ein wenig an den Film Psycho erinnerte.
Früh waren wir dann im Hotel und hatten genügend Zeit um einige Postkarten zu schreiben. Dies auf der Terrasse, bis uns der strenge Wind nicht nur die Karten davonblies, sondern bei uns auch ein starkes Frösteln verursachte. Mir Pizza, ein paar Biers und einigen Tipps von anderen Touristen für den nächsten Tag ging’s dann zeitig (schon gegen zwölf Uhr) ins Bett.
Tag 4 – Dettifoss, Asbyrgi, Husavik, Myvatn
Am nächsten Tag war ja eine der längsten Etappen angesagt. Trotz guter Vorsätze schaffte ich es am nächsten Morgen zu verschlafen. Was soll’s, wir hatten ja Ferien und keine Lust uns irgendwie stressen zu lassen, schon gar nicht von uns selbst. Frühstück gab’s noch und danach ging’s Richtung Norden, durch Eglilstadir die Strasse Nr. 1 weiter.
Bald verliessen wir das Grün der Westfjorde und kamen in ein schier unendliches Hochlandplateau welches mit seinem dunklen Lavagestein das Sonnenlicht verschluckte. Weit und breit keine Menschenseele, nur die schwarze Asphaltstrasse und weit hinten am Horizont einige Berge.
Rolf etwas schläfrig auf dem Beifahrersitz konnte meine Begeisterung für die Landschaft nicht teilen und schaute mich fragend an, als ich einen Stopp für ein Foto einlegte.
Ein Blick auf die Tankuhr sagte mir, dass die Benzineinteilung optimal ist und wir an der nächsten Tankstelle einen kompletten Tankinhalt einfüllen werden können. So wartete ich auf die Kreuzung zur Strasse Nr. 864 wo die Karte die nächste Tankstelle versprach. Dort angekommen, musste ich noch mal zu Karte greifen, weil ich kein Schild entdeckt habe. Die nächste Querstrasse brachte uns dann zu einer Siedlung (ein altes Haus und ein etwas neuer Bungalow) und davor 2 Tanksäulen, eine eingepackt mit einer Plane.
Rolf und ich haben uns nur angeschaut und sind schnurstracks zum Bungalow weitergefahren wo ein Mensch auf der Terrasse sass. Nach einigen Worten rief er dem Patron, welcher uns erklärte, dass die Tankstelle vor zwölf Jahren geschlossen wurde…. Die nächste Tankstelle sei 60 km vor Asbyrgi. – Nein nicht in 60 km, sondern 60 km vor der nächsten Stadt.
Ich mache es kurz, da der Patron für alle Fälle einen kleinen Benzinvorrat hatte und ich ihn davon überzeugen konnte, dass jetzt ein Notfall eingetreten ist verkaufte er und fünf Liter zum Preis von 1000 ISK, was etwa dem doppelten Preis entsprach. Gerne willigte ich in diesen Handel ein, ohne dem Gefühl zu viel zu bezahlen. Als er dann aber nur noch drei Liter hatte und die 1000 ISK einsteckte, hat er wohl selber ein schlechtes Gewissen bekommen, drum spendierte er uns zwei Kaffees welche wir gerne entgegennahmen.
So guten Mutes, dass der Sprit jetzt doch reichen könnte ging’s auf schwerem Schotter weiter Richtung Dettifoss. So plötzlich wie gewohnt überraschte uns der kleine Wegweiser zum mächtigsten Wasserfall von Island, wo der Fluss 60 Meter in die Tiefe stürzt. Die davon aufsteigende Gischt ist wohl noch mal so hoch.
Von einer Anhöhe oberhalb des Parkplatzes hatten wir eine gute Sicht auf das Schauspiel. Um einen Blick über die Klippe zu werfen und hautnah das Getöse zu erleben, hätte es wohl gutem Schuhwerk bedurft und nicht unserer profillosen schmalen Rollstuhlpneus. Den Selfoss der grad in der nähe sein sollte, haben wir erst später bei unserem Flug entdeckt und der Hagragilsfoss war vom Rollstuhl aus weder ersichtlich noch zugänglich. Davon ein bisschen enttäuscht, nahmen wir den Weg nach Asbyrgi unter die Räder.
Kurz davor musste ich eine Brücke fotografieren und Rolf wollte unbedingt ein Bild von dem Häuschen im Wasser welches wohl den Wasserstand registrierte.
So blockierten wir mit unserem Auto die einspurige Brücke für eine knappe Minute, was ja kein Problem ist, da ja kaum Verkehr ist auf Islands Strassen. – Weit gefehlt, da erschreckte uns eine Laute Hupe und ehe wir recht wussten was passiert, raste uns ein übergrosser Geländewagen in vollem Tempo entgegen. Das Foto war im Kasten, also legte ich den Rückwärtsgang ein und floh, gemächlich aber bestimmt dem wutschäumendem Ungetüm, aus dem Weg. Rolf konnte es nicht lassen auch den grimmig drein sehenden Fahrer auf den Film zu bannen.
Wir haben die Isländer immer als ruhiges, gemütliches Volk kennengelernt, aber Ausnahmen gibt’s wohl auch hier, besonders wenn zu viele PS unter der Haube stecken. Unser kleiner Schreck verwandelte sich bald in erholsames Lachen und als wir dann nach weiteren zwei Kilometern eine grosse Tankstelle anfahren konnten waren wir schon fast glücklich. Nach einigen Minuten Weges ging’s links ab in die Schlucht von Asbyrgi (die Hufeisenschlucht).
Wenn man drin ist fallen einem eher die schroffen, senkrechten Felswände auf, in denen Vögel nisten. Fliegt man aber darüber, was wir ja am nächsten Tag gemacht haben, so erkennt man erst die Hufeisenform, welche am einen Schenkel genügend Platz für einen Flugplatz gelassen hat. Die Schlucht wird vom Jökulsa a Fjöllum nicht mehr durchflossen, welcher in einer Breite von vielleicht 500 Metern mal das Bett ausgegraben hat. Stattdessen wuchsen Wiesen und Birkenwäldchen darin und an der tiefsten Stelle liegt ein kleiner Teich.
Wir erlebten erholsame Stunden beim durchstreifen der Wäldchen und einen gemütlichen Imbiss auf einer grossen Wiese, die von der Form her an ein Fussballfeld erinnerte. Nach dem Verzehr der Pizzaresten vom Vortag und der Caramel-Lakrizzebonbons ging’s weiter an die Nordküste.
Dort im Bogen weiter nach Husavik wo gemäss Reiseführer ein nicht alltägliches Museum seine Türen offen hatte.
Es war das Phallusmuseum von Husavik und schon wegen seiner Einmaligkeit ein Muss für uns. Der Museumsbesitzer und ein anderer Helfer waren gerne bereit uns die zwei Stufen zu diesen Heiligtümern hinaufzuhelfen. Drinnen erwarteten uns die männlichen Geschlechtsteile von verschiedenen Tieren. Einige in Alkohol eingelegt, andere getrocknet oder ausgestopft an den Wänden wie hierzulande Hirschköpfe mit Geweihen.
Im wesentlichen von allen Walarten. Zum Vergleich auch die von Elefanten, Schweinen und anderen Säugern, wie auch Modelle von Menschen. Im Gespräch mit dem Museumsleiter, einem ehemaligen Lehrer erfuhren wir, dass er keinerlei Probleme mit irgendwelchen Gegnern gehabt habe, da ja in seinem Museum keinerlei pornografisches Material zu finden sei. Na was soll’s, speziell war’s auf jeden Fall!
Von unseren Erfahrungen belehrt nützten wir die Gelegenheit von der Tankstelle gegenüber Gebrauch zu machen. Mit vollem Tank und Rolf am Steuer ging’s Richtung Norden zum Myvatnsee.
Von einer Anhöhe aus hatten wir den ersten Überblick auf das Wasser und die sogenannten Pseudokrater. Dies waren wohl ehemals kleine Vulkane. Im Hintergrund dann die grossen Krater der Vulkane Viti und Krafla.
Krafla war auch unser nächstes Ziel. Vorbei an unserem Nachtquartier über einen kleinen Pass erreichten wir die brodelnden Schlammtöpfe. Kleine kraterartige Löcher wo wie wir erfuhren sogar Brot drin gegart wird. Ein dunkles Brot, welches ein eigenartiges Aroma hat und nicht zu unseren Favoriten gehört hat. Wir ersparten uns das Aussteigen, der Schwefelgeruch war auch im Auto allgegenwärtig und fuhren die Anhöhe hinauf zum thermischen Kraftwerk, welches die heissen Dämpfe die aus dem Boden steigen ausnutzen um Elektrische Energie herzustellen.
Die rote Farbe der Erde mit dem blauen Himmel darüber, dazu der weisse Dampf der neben der Röhren aufstieg, sind ein Bild welches mich damals wie heute begeistern, wenn ich die Photos anschaue.
Dann ging’s zurück, zur Hotelsuche. Wir hatten ja ein Zimmer im Vodafjos reserviert. Was wir nicht wussten und was auch die Tafel an der Strasse nicht verriet, war, dass das Cafe Vodafjos, welches einzeln am Seeufer stand, mit der Herberge Vodafjos zusammengehörte. Die Herberge fanden wir dann erst, als wir diese Verbindung entdeckten. Dies nach zwei Telefonaten, von dem eines ans Hotel der letzten Nacht noch mehr Verwirrung brachte. Irrtümlich wählte ich die Nummer diese Hotels und bekam eine recht mysteriöse Auskunft, bis ich den Irrtum merkte. Mit grossem Hunger im Bauch fanden wir eine Bar, welche noch ein paar Sandwich hatte.
Die laue Sommernacht liess uns, wie auch einige Ansässige bis spät in den Morgen auf der Terrasse verweilen, so dass ich die Gelegenheit nutzte um Mitternacht einige Fotos zu schiessen vom Sonnenuntergang und unserer gemütlichen Runde.
Tag 5 – Myvatn, Godafoss, Akureyri
Wir genossen die Nacht im komfortablen Blockhaus, abgesehen vom Zähneputzen. Als ich zum Spülen einen Mund voll vom Hahnenwasser nahm, weigerte sich mein Geschmackssinn gegen das Schwefelwasser und schneller als geschluckt würgte ich das Wasser wieder hinaus. Ein Schluck aus der Mineralwasserflasche besänftigte meine Nerven wieder. Da die geplante Tagesstrecke nur etwa 150km war konnten wir uns Zeit nehmen und beschlossen einen Flug über das Myvatngebiet zu versuchen.
Nach dem gemütlichen Frühstück ging’s zum kleinen Flugplatz. Das Verwaltungsgebäude schien verlassen, also drückte ich kurz aber bestimmt auf die Hupe und schon sprang ein uniformierter Käpten aus dem kleinen Häuschen. Er beriet uns dann gut und trotz unserer Versuche den Preis etwas zu drücken zahlten wir dann doch den vollen Preis (12000ISK) für einen Flug über das Gebiet und die gesamte Strecke, die wir am vorigen Tag zurückgelegt hatten. So kamen wir in den Genuss die Schlucht von Asbyrgi von oben zu sehen, um überhaupt die tatsächlichen Ausmasse zu erkennen. Auch die vielen Wasserfälle und das rote Vulkangebiet mit den Dampfwolken waren wirklich eindrücklich. Nach dem Flug fuhren wir dann Richtung Akureyri.
Der Reiseführer versprach unterwegs bei Reykholt Attraktionen wie schwarze Lavawasserfälle und heisse Quellen. Jede Seitenstrasse und jeden Wegweiser untersuchten wir, aber für einen Wasserfall braucht es ja einen Berg oder mindestens eine Anhöhe. Aber hier in der weiten Ebene gab’s höchstens mal ein Rinnsal. So hakten wir Reykholt ab. Später entdeckten wir, dass es mindestens vier Reykholt gibt in Island, und dass wir halt definitiv am falschen Ort suchten. Bald sahen wir von fern den Godafoss. Zu deutsch Götterwasserfall. Er heisst so, will nach der Überlieferung die Isländer ihre Götterbilder in den Wasserfall warfen, als sie sich zum Christentum bekannten.
Neben dem Wasserfall, der wieder sehr eindrücklich war, fotografierten wir auch die erste Tafel (Achtung Schafe).
Um so mehr lachten wir, als auf der selben Strasse, es war mehr ein Feldweg auch eine Tafel (Achtung Fussgänger) zu finden war. Also passten wir gut auf und überfuhren nur Steine.
Vom Godafoss ging’s dann in schneller Fahrt nach Akureyri, welches sich hinter einem Fjord zeigte. Ein kurzer Halt musste sein, die zweitgrösste Stadt von Island auf den Film zu bannen. Wie jeder Ort, der auf der Karte gross eingezeichnet war, erstaunte uns wieder die geringe Grösse.
Einen eigenen Charme hatte diese Stadt trotzdem. Die kleinen Häuser fast wie Puppenstuben und davor das angehende Nachtleben. Nach einem kurzen Bummel durch die Einkaufsmeile, gab’s dann was zu Futtern und dann ein paar Drinks in einer gut besuchten Bar mit Tanz. Wir genossen es, nach fünf Tagen in beinahe Einsamkeit wieder einmal viele Menschen um uns zu haben. Auch hatten wir endlich die Gelegenheit die Gesichtszüge dieses Menschenschlags ein wenig zu betrachten. Wir kamen zum Schluss, dass sie, mit ihren etwas ausgeprägten Wangenknochen, welche ihnen ein rundliches Gesicht gaben, wohl schon eher typisch nordländisch sind.
Tag 6 – Glaumbaer, F35, Gullfoss, Geysir, Borgarnes
Akureyri verliessen wir mit einem Stück Kuchen im Bauch. Da der Speisesaal unseres Guesthouses einige Strassen vom Schlafhaus entfernt und überhaupt nicht rollstuhlgängig war, bestellten wir auf der Terrasse eines Restaurants, welches auch Stufen hatte einen Kaffee mit Kuchen. Meiner war so süss, dass ich nur die Hälfte ass und das musste reichen bis spät am Nachmittag.
Also ab, auf unsere längste Etappe. Geplant waren 350 km bis nach Borgarnes – aber es kommt ja nicht immer alles wie gedacht… Mein Copilot passte gut auf, so dass ich bereits nach fünf Kilometern das erste mal kehren konnte. Danach hat er sich ein Nickerchen erlaubt, bis wir zum ersten Etappenziel, den Torfhäusern von Glaumbaer kamen.
Aussen Torf doch innen? Ich liess es mir nicht nehmen rein zu rollen. Schwellen und Hindernissen zum Trotz, liess ich mir nicht helfen und erkundete das innere der klein scheinenden Häuser alleine. Es war alles da: Vorratsräume, Küche, Werkstatt sogar ein Schlafzimmer mit einer Art Himmelbett. – Nur eben für Rollstühle eher ungeeignet. Das musste ich merken, als ich nicht mehr herauskam. Zum Glück war Rolf ja noch da mit seinen zwei neuen weiblichen Bekanntschaften. Sie kamen mir gerne helfen.
Dann weiter zur Tankstelle die auf der Karte eingezeichnet war. Nach einer halben Stunde waren wir da, tankten und labten uns mit einer Cola und einem Hamburger. Das war auch Zeit, nach dem verpassten oder verpatzten Morgenessen. Es war auch nötig, denn wir brauchten diese Energie für die nächste Etappe, welche wir spontan neu festlegten.
Hier muss ich ausholen. Beim ersten Routenplanen noch in der Schweiz, schlug ich vor die F35-Hochlandpiste zu nehmen um direkt vom nördlichen Island zum Gullfoss und Geysir zu gelangen, welche weit im Süden lagen. Unser Reisebüro riet uns davon ab, da die F35 für Personenwagen nicht passierbar sei und buchte stattdessen ein Hotel in Borgarnes, welches locker auf der Hauptstrasse Nr. 1 erreichbar war.
Hier, an der grossen Tankstelle, erkundigten wir uns bei einem kompetent aussehenden Familienvater, ob die F35 passierbar wäre mit unserem Mitsubishi. Mit tiefer Stimme erklärte er uns, dass dies kein Problem sein sollte, es sei die ganze Strasse begradigt worden.
Also los – ein bisschen Abenteuer muss doch sein. Wir bogen links ab und auf Richtung Süden. Nur mit der Strassennummer hatten wir so unsere Mühe. Die Karte sagte uns, dass wir die 732 nehmen müssen um auf die F35 zu kommen. Wir waren auf der 731, was wir erst spät merkten. Vor uns ein Traktor, unmöglich zu überholen auf diesen Strassen, sonst weit du breit kein Fahrzeug (daran hatten wir uns zwar schon gewöhnt, man ist eher alleine auf Islands Strassen). Nachdem der Traktor links weg zu einem Gehöft abgebogen war, konnte ich endlich etwas zügiger fahren, aber nicht lange, die Strasse wurde zunehmend schlechter.
Da erinnerte ich mich, doch einen Wegweiser gesehen zu haben als der Traktor an der Kreuzung links weg gefahren war. Überzeugt, dort das Rechtsabbiegen verpasst zu haben fuhr ich zurück und bog ab. Ich war noch keinen Kilometer gefahren, kam mir das nächste landwirtschaftliche Fahrzeug entgegen. Ausweichen oder Wenden … unmöglich, also den Weg zurück, der schwächere gibt nach. Schon wieder an der Kreuzung hupte ich dem Fahrer und erkundigte mich nach dem Weg zur F35.
F35??? Ah, Geysir … er zeigte Zielbewusst in die Richtung die wir zuerst eingeschlagen hatten. Einige erklärende Worte in Isländisch, wo wir uns befanden machten mir klar, dass wir schon auf der Hauptstrasse viel zu weit nach Westen (bis nach Blönduos) gefahren waren und jetzt auf der 731 den ganzen Weg wieder zurückfahren mussten. Immerhin fühlten wir uns nicht mehr so verloren und guten Mutes ging’s dann weiter. In meinem Innersten dachte ich, wenn schon die normal bezeichneten Strassen, das sind die, welche kein ‚F’ haben so holperig sind, wie wird dann wohl die legendäre F35? Im Reiseführer stand: Die F35 ist jetzt besser ausgebaut. Über alle grösseren Flüsse wurden unterdessen Brücken gebaut.
Rolf war ein geduldiger Beifahrer. Nur einmal rief er Achtung! Schon krachte es und ich sagte, ich hab’s schon gesehen – und dann lachten wir beide. Es war nur ein Stein, der einen kleinen Felgenschlag verursachte, der wohl vom Autovermieter nicht mal entdeckt wurde. Weiter ging’s Staub, Steine, Berge mit Gletschern in weiter Ferne, da und dort einige Trolls am Wegrand – einfach Island pur.
Endlich erreichten wir die 732 und kurz darauf die F35, welche mit einer ziemlichen Steigung bereits alles von unserem Mitsubishi abverlangte. Mit dem Glücksgefühl, nun ein wirklicher Abenteurer zu sein, nahm ich die Hochlandpiste unter die Räder und holte alles aus unserem Auto heraus. Angetrieben vom Gedanken, dass wir unsere sonst schon lange Reiseroute um mehr als 200 km verlängert hatten, aktivierte ich meine Rallyinstinkte und passte die Geschwindigkeit immer den Verhältnissen an, natürlich eher am oberen Limit.
Im Reiseführer hatten wir gelesen, dass es in Lödrhundur einzigartige Mineralien zu sehen gibt. Also bogen wir auf die F347 ab und fuhren 20 km nach Osten. Endlich kam ich in den Genuss mal 2 Flüsse zu furten. Das ist schon ein spezielles Feeling so vor einem Fluss zu stehen, die Strömung zu beobachten und sich den besten Weg zwischen den Steinen und Felsen zu suchen, in der Hoffnung, dass das Wasser auch so seicht ist, wie es scheint oder auch nicht scheint. Beim ersten der eher tiefer ausgesehen hat bin ich volle Pulle durchgefahren, um ja nicht stecken zu bleiben. Der zweite seichte Fluss war jedoch so von spitzen Steinen übersäht, welche dem Unterboden wohl übel mitgespielt hätte, so dass ich auf halbem Weg zurück musste und mir einen neuen Weg suchen. Wenn man durch ist, schaut man sich an und fragt sich, wo war das Problem.
Unser Ziel erreicht, haben wir uns auch angeschaut und uns gefragt, warum sind wir hier. Es war ein Zeltplatz und drei Häuser. Eines davon wohl ein Bad, gewärmt von einer heissen Quelle. Auch die Steine sahen für uns aus wie anderswo. Da wir schon da waren knipsten wir ein Bild von einem dieser Häuser und dann weiter, es wurde ja langsam spät und Steine hatten wir den ganzen Tag genügend gesehen.
Zurück auf die F35 und vorbei an einem grossen Gletschersee, langsam wieder in eine Landschaft, die da und dort von etwas Grün angehaucht war. Wir sehnten uns mehr und mehr endlich zum Gullfoss, dem goldenen Wasserfall zu kommen. Und dann nach 240 km Hochlandpiste, endlich waren wir am Ziel. Der Wasserfall gross und berauschend, daneben das Touristcenter mit Restaurant. Das war das erste mal wo eine Sehenswürdigkeit auch Touristisch ausgenützt wurde.
Wir gönnten uns eins Stunde den Wasserfall aus allen Perspektiven zu betrachten und dann auch einen Kaffee und ein Muffin zu uns zu nehmen. In der Ruhepause, es war schon acht Uhr, nützte ich die Gelegenheit in unserem Hotel anzurufen, dass es wohl Mitternacht werden würde, bis wir eintreffen. Mit Isländischer Gelassenheit nahm der Angestellte diese Information entgegen und bedankte sich.
Die wohl bekannteste Attraktion von Island der Geysir war nach einer kurzen Fahrt erreicht. Ich hatte gelesen, dass es mehrere Geysire gibt, und dass der bekannte Geysir etwas Faul und selten aktiv sei. Stokkur hingegen, sein kleinerer Bruder speie jedoch alle fünf bis zehn Minuten eine Fontäne aus. Was mich erstaunte, war, dass auf einer Fläche von vielleicht 300 auf 300 Metern etwa 6 Geysire befanden.
Darunter eben Stokkur zu deutsch Butterfass. Gemächlich nahm ich mir Zeit den grossen Geysir zu betrachten, als ich auch schon ein lautes Zischen hörte und mich umdrehte und die Fontäne von Stokkur sah. Geistesgegenwärtig riss ich die Kamera ans Auge und drückte ab, glücklich dieses Ereignis auf Celluloid zu haben. Schon zog der Dampf über mich hinweg und hüllte mich mit meiner Kamera in einen klebrigen schwefligen Nebel.
Rolf kämpfte auch mit Strokkur, er wollte einen Ausbruch auf Video bannen. Da aber seine Filmreserve recht klein war konnte er nicht unendlich lange filmen. So schaltete er immer im falschen Moment ein, so dass er die Kassette wieder zurückspulen musste. Genau dann hatte Strokkur seine Freude und veräppelte Rolf mit einer fantastischen Fontäne. Wer jetzt mehr Freude hatte, Rolf oder der Geysir bleibt des Lesers Urteil vorbehalten.
Jetzt hatte der F35-Experte eine Pause verdient, wie Rolf sagte. Ich war wirklich müde und froh, dass Rolf sich für den restlichen Weg, es waren immer noch vielleicht 150 km, ans Steuer setzte. In dieser Nacht wurde es ungewohnt dunkel und die Strasse die wir gewählt hatten war nicht viel besser als die F35.
Bei all den Schatten, die jetzt auf dem Land lagen, spürten wir die Anwesenheit der Geister und Trolls und sanken in die Tiefen der Isländischen Sage. Kurz nach ein Uhr erreichten wir das Hotel in Borgarnes, mit der Gewissheit einen unvergesslichen Tag erlebt zu haben.
Trotz der späten Stunde wurden wir geduldig und freundlich empfangen. Im Zimmer, müde vom Tag und trotzdem noch ein wenig aufgedreht, nahmen wir noch einen tüchtigen Schluck vom Vodka mit Sprite, den Rolf mitgenommen hatte und der immer noch nicht zu Ende getrunken war.
Tag 7 – Deliartunguhver – Hraunfossar – Reykavik – Keflavik
Am nächsten Morgen, war der Trip nach Reykjavik angesagt. An der Rezeption erkundigten wir uns noch nach den Lavawasserfällen von Reykholt, welche wir eigentlich nicht mehr besuchen wollten, weil wir den Tag in der Hauptstadt verbringen wollten. Die Bilder die uns unser Gastgeber zeigte, überzeugten uns, dass sich der Weg doch lohne.
So fuhren wir, auf der Hauptstrasse Nr. 1, durch die Wolkenverhangene Gegend und bogen dann Richtung Reykholt ab. Die erste Attraktion auf dem Weg waren die heissen Quellen von Deliartunguhver, wo 180 Liter kochendes Wasser pro Sekunde aus dem Boden schiessen.
Dieses heisse Wasser wird gefangen und über ein Pipelinesystem im Land verteilt, wo damit geheizt wird. Im wesentlichen Treibhäuser, in denen Gurken und Tomaten angebaut werden. Die Pipelines haben eine Länge von 34 km nach Borgarnes und 64 km nach Akraness. Rolf blieb im Auto sitzen, die heissen Quellen machten ihn nicht heiss. Ich nahm mir die Zeit, das Schauspiel der sprudelnden Wassern zuzusehen und einige Fotos zu schiessen. Bald war ich feucht und klebrig vom schwefeligen Dampf der alles umhüllte. Lustig fand ich die Tafel, die davor warnte ein Bad zu nehmen, da das Wasser seine 97 Grad Celsius hatte.
Reykholt mit seiner Kirche und seinem Aequadukt liessen wir links liegen und fuhren direkt, einen kartenleserischen Umweg eingerechnet zum Hraunfoss.
Besser gesagt Hraunfossar, weil es ja mehrere Wasserfälle waren. Da floss also das Wasser mitten aus dem Berg heraus, und überspülte mit seinem weissen Wasser die schwarzen Lavafelsen. Darum herum viel Grün, Gras und Birkengehölz.
Einige Schritte weiter oben, so steht’s im Reiseführer ist der Barnafoss, der Kinderwasserfall. So harmlos hat der aber nicht ausgesehen. Das Wasser fällt vielleicht fünf Meter in die Tiefe und spritzt mit Wucht durch ein Felsenloch in der engen Schlucht. Zum Baden sicher nicht geeignet.
Dann, vorbei an Wiesen mit Pferden, welche sich uns immer von der schönsten Seite zeigten zog’s uns nach Reykjavik. Am Fjord Hvallfjördur nutzten wir die Gelegenheit in einem Tunnel unter dem Meer durchzufahren. Am Zollhaus entrichteten wir die Tunnelgebühr und ab ging’s ins Dunkel. Eigentlich war’s ein ganz gewöhnlicher Tunnel, nur als Rolf schon nach ein paar Sekunden vor einer Biegung voll in die Bremse trat, ist uns aufgefallen, wie steil es bergab gegangen ist und wie schnell unser Auto ohne es zu merken beschleunigt hatte. Jetzt fielen uns auch die Radarkästen auf, die das Tunnel säumten und waren glücklich vorher gebremst zu haben. Den Aufstieg merkten wir wesentlich besser. Für fünf Minuten ging’s bergauf ohne Unterlass, bis wir dann von weitem das Tageslicht am Ende gewahrten.
Von weitem sahen wir dann schon die Kirche von Reykjavik. Um einen grossen Fjord fuhren wir der Stadt entgegen und fanden nach einer kleinen Irrfahrt den Parkplatz direkt vor dem grossen Flohmarkt. Wir verbrachten den Tag mit Stöbern, einem gemütlichen und zum ersten mal zahlbaren Mittagessen. Dann besuchten wir die Kirche, das Wahrzeichen dieser Stadt.
Gegen eine Gebühr – wir handelten Kindertarif aus – benützten wir den Lift, um vom Turm die Stadt zu überblicken. Leider führte der Lift nur bis zu den Ziffernblättern der Turmuhr. Die Treppe auf die Aussichtsplattform war Fussgängern vorenthalten. So guckten wir so gut es ging durch die vier Fenster, die mit einem Klimmzug erreichbar waren und waren froh nur Kindertarif bezahlt zu haben.
Im innern der Kirche bestaunten wir die Orgel und durften sogar zuhören, da eine Organistin grade am spielen war. In einer Schach-Bar, das gibt’s in Reykjavik, vertrieben wir uns die Zeit bei einer Partie, die ich kläglich verlor, bis Rolf zum Aufbruch drängte. Wir mussten ja um zehn Uhr am Flugplatz sein. Zum Glück drängte er, denn wir verirrten uns in einen Souvenirladen und wollten unbedingt noch dies und das mitnehmen.
Dann hiess es, das Auto suchen. Den Parkplatz hatten wir bald gefunden, nur unser braun eingedrecktes Auto fanden wir nicht. Zum Glück hatte es Rolf breit zwischen zwei Parkfelder gestellt, so merkten wir, dass der Regen unterdessen dann ganzen Schmutz weggewaschen hatte und wir fanden wieder ein weisses Auto vor.
Also, ab Richtung Norden, entlang der Küste und dann Richtung Westen. Besser wir fragen mal wo’s zum Flughafen geht. Das hilfsbereite Paar nannte uns zwar alle Ortschaften, dies zu durchfahren gab, aber wie wir zur Stadt rauskommen sollen, diese Frage haben sie wohl nicht verstanden. Also, zurück, wieder Richtung Norden. Und wie auf jeder Reise, irgendwann kommt der Punkt wo die Reisegefährten nicht gleicher Meinung sind, vor allem wenn Stress oder wie hier plötzlich Zeitdruck besteht. Also, kurz und intensiv diskutiert und dann ab Richtung Osten. Nach knapp zehn Minuten sahen wir das erste Schild nach Kevlavik. Und bald waren wir auf einer Hochleistungsstrasse und sicher den Weg zu finden. Die Tachonadel immer im oberen Bereich, die Augen aufmerksam nach blau-weissen Autos, ging’s Richtung Flughafen.
Auf das Auftanken verzichteten wir nach dem ersten Halt an einer Tankstelle, wo scheinbar die Kreditkarten wieder mal nicht funktionierten und fuhren direkt vor die Autovermietung am Flughafeneingang. Jetzt hiess es das ganze Auto ausräumen, alles in die Taschen verstauen und möglicht nichts zu vergessen. Das alles in der Dämmerung bei einem kühlen Wind der unter die Haut ging.
Als erstes natürlich den mitgebrachten Autoumbau ausgebaut, damit niemand auf die Idee kommen könnte uns zum offiziellen Autoempfang am anderen Ende des Flughafens zu schicken. Diese Massnahme war jedoch unbegründet. Freundlich kam uns die Dame der Autovermietung entgegen, lobte das saubere Auto. Vor allem, dass kein Stäubchen auf dem Boden war. Dass das ganze Dach mit braunen Streifen vom Rollstuhl einladen übersäht war haben wir ihr nicht auf die Nase gebunden. Auch die Kratzer vom Ausflug in den Gartenzaun haben wir nicht erwähn. Ich denke jedoch dies geht unter normale Abnützung. Bald darauf haben wir eingecheckt.
Eingecheckt ins normale Leben, auf unseren Flug in die Schweiz, wo es weder Elfen noch Trolle gibt.
22. September 2005
Markus Keller